Einige Minuten vorher und 580 Kilometer weiter südlich hatte Manuel Neuer im Pokalspiel der Bayern gegen Leverkusen für eine ähnliche Aktion die Rote Karte bekommen. Im Weserstadion hingegen beließ es Schiedsrichter Martin Petersen bei einer Verwarnung. Er begründete das damit, dass Lidberg (anders als Leverkusens Frimpong) nicht auf geradem Weg zum Tor lief, sondern diagonal vom Tor weg. Mit jedem weiteren Schritt wäre der Winkel für den Stürmer schwieriger geworden. Zetterer vereitelte anders als Neuer keine klare Torchance. Zwei Bremer Verteidiger hätten zudem eingreifen können.
Eine Notbremse war es also nicht. Aber Zetterer traf Lidberg mit voller Wucht und schon in realer Geschwindigkeit sichtbar weit oben am Bein. In Zeitlupe wird deutlich, dass der Torwart sogar gegen Lidbergs Knie trat. Ein grobes Foul, das dem Regelwerk nach auch mit einem Platzverweis hätte bestraft werden können. „Wahrscheinlich eine Grauzone“, sagte Darmstadts Trainer Florian Kohfeldt nüchtern. „Er hat so entschieden, das müssen wir akzeptieren.“ Glück für Bremen.
Auch „Lilien“-Verteidiger Aleksandar Vukotic befand sich in einer solchen Grauzone, als er im Strafraum einen Kopfball von Marvin Ducksch mit gestrecktem Arm abwehrte (75.). Petersen wertete die Haltung des Arms als Teil einer natürlichen Bewegung beim Ausfallschritt. Der Videoschiedsrichter überstimmte ihn nicht. Eine nachvollziehbare Entscheidung, die in ähnlichen Situationen aber auch schon anders ausgefallen ist. Glück für die Darmstädter.
Dramatisch war die Zuspitzung in der Nachspielzeit. Darmstadts Stürmer Fynn Lakenmacher hätte wenige Meter vor dem Werder-Tor schießen können. Er schlug noch einen Haken und verlor den Ball. Es folgte ein Bremer Konter, den Guille Bueno nur mit einem Foul stoppen konnte. Die anschließende Freistoßflanke landete in der vierten Minute der Nachspielzeit auf dem Fuß von Anthony Jung, der aus kurzer Distanz ins Tor schoss. So knapp war es. Der Moment, in dem die Darmstädter die Chance auf den Sieg hatten und der Moment, indem ihre Niederlage besiegelt war, folgten am Ende in nur einer Sequenz aufeinander.
In den weniger aufregenden Phasen dieses Spiels sah man den Klassenunterschied deutlicher. Kohfeldt hatte seine Mannschaft erstmals nicht mit einer Viererkette, sondern einer defensiveren Fünferkette formiert – eine Anpassung an das höhere Niveau der Bremer. Die fanden zwar trotz viel Ballbesitz nicht die entscheidenden Räume, beinahe jeden ihrer Abschlüsse blockte ein Darmstädter.
Im Spitzensport ist es dann aber häufig die Gedankenschnelligkeit, die den wesentlichen Unterschied ausmacht. So waren die „Lilien“ mit Werders Tempo anfangs überfordert. Auch später im Spiel trafen sie Entscheidungen unter Stress. Manche Darmstädter Passabfolge verlief im Sand, die in der zweiten Liga wohl zu einer Großchance geführt hätte. Die bessere Mannschaft kam also weiter. Dass Kohfeldts Mannschaft es aber schaffte, das Bremer Spiel lange zu „neutralisieren“, wie es der Trainer nannte, ist gerade wegen des sichtbaren Klassenunterschieds eine bemerkenswerte Leistung.
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